Artikel aus der Stuttgarter Zeitung
vom 10.12.2002 |

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Dem OB droht bei der Robert-Bosch-Halle
eine Fehlzündung Harry Harkimo ist Sieger
des Investorenwettbewerbs, aber die Fraktionen verweigern den Zuschuss
- Hamburger Modell führt die Schleyerhalle nur als Pferdestall
Oberbürgermeister Schuster wird im Januar Harry
Harkimo als Sieger des Investorenwettbewerbs für die Großhalle
präsentieren. Der Finne will rasch bauen - sofern sich die
Stadt beteiligt. OB Schuster würde gerne mitspielen, der Gemeinderat
nicht. Von Jörg Nauke Die Hamburg Freezers
hatten am Sonntag in ihrem Heimspiel der Deutschen Eishockeyliga
gegen die Huskies aus Kassel gerade ein 0:1 in ein 2:1 verwandelt
und waren zufrieden in die erste Drittelpause gegangen, da war Uwe
Frommhold, Geschäftsführer der Color Line Arena, auch
schon weg. Von da an hatte er keine Zeit mehr, Stuttgarter Journalisten
die neue Halle im Volkspark zu zeigen, deren Ebenbild als "Boschhalle"
am Wasen entstehen könnte - die Kühlung der Eisfläche
war ausgefallen. Das Spiel war deshalb schon nach 20 Minuten beendet,
und 8631 Zuschauer verließen verärgert die Vorzeigehalle
- ohne ausreichend Kaltgetränke konsumiert zu haben. Dabei
hat gerade diese Sparte große Bedeutung für den Investor.
Das war der berüchtigte Vorführeffekt. Harry Harkimo,
der Investor, blieb gelassen: "Wir haben kein Problem damit,
das hat jetzt ABB", das fürs Kühlaggregat zuständige
Unternehmen. "HH" hat sich aufgemacht, Europas größter
Betreiber von Multifunktionshallen zu werden. Der Vorstandsvorsitzende
der Jokerit-Gruppe ist Initiator der privat finanzierten Hartwall
Areena in Helsinki und hat 80 Millionen Euro organisiert, mit denen
in Hamburg nach 40-jähriger Debatte und 18 Monaten Bauzeit
eine Großhalle für bis zu 16 800 Besucher errichtet wurde.
Das Konzept der JHC Arena Holding Oy umfasst nicht nur den Bau einer
Halle, sondern auch deren Planung und Betrieb. Weil es nicht ausreicht,
die supermoderne Halle mit zwei Rängen, 92 Logen, 1534 Businesssitzen
und 5000 Plätzen in feinen Restaurants und Fastfood-Abnahmestellen
nur durch Konzertveranstaltungen, Musicals und Gokartrennen zu füllen,
hat man sich ein bayerisches Eishockeyteam gekauft und nach Hamburg
umgesiedelt. Außerdem spielt in der Halle die Handballbundesligamannschaft
des HSV. Die Truppe war letzte Saison noch in der Gsälzhochburg
Bad Schwartau aktiv. Harkimo ehrt, dass er selbst ins Risiko
geht und ohne kommunale Finanzspritzen auskommt - jedenfalls fast.
Die Freie und Hansestadt Hamburg hat für fünf Millionen
Euro die Parkplätze modellieren dürfen. Den Kreditbedarf
reduzierte eine Reederei, indem sie zwölf Millionen Euro für
das Namensrecht bezahlte. Eine Brauerei, der Sprudellieferant, die
Eisfirma und der Caterer lassen sich ihre Präsenz zehn Millionen
Euro kosten. Der Verkauf von Logen und Businesssitzen soll 40 Millionen
des Fremdkapitals von 64 Millionen Euro einbringen. Zudem wird jede
freie Ecke als Werbefläche vermarktet. Auf der Suche
nach weiteren Filialstandorten ist der 49-jährige Weltumsegler
in Stuttgart gestrandet, wo der Gemeinderat in besseren Zeiten einen
Grundsatzbeschluss zum Bau einer Multifunktionshalle gefasst hat.
Bosch hat schon 7,5 Millionen Euro fürs Namensrecht in Aussicht
gestellt. Die Halle soll zusammen mit der Schleyerhalle betrieben
werden. Den Investorenwettbewerb habe der Finne für sich entschieden,
heißt es inoffiziell; im Januar will Harkimo mit dem OB Schuster
die Pläne für das 85 Millionen Euro teure Projekt vorstellen
und im Mai auf Baustelle gehen. Danach wolle er sich um eine Handball-,
Basketball- oder Eishockeymannschaft als Hallenfüller kümmern.
Soweit die Wunschvorstellung - die Realität sieht anders
aus. Harkimo will, dass sich die Stadt erkenntlich zeigt. Dass es
das Grundstück zum Nulltarif und die Schleyerhalle als Werbegeschenk
gebe, sei doch selbstverständlich, sagt er. Der Finne denkt
an Stege, Vip-Parkplätze, Sonderzufahrten - und wenn der Stadt
das schmucklose Hamburger Original nicht gefalle, dürfe sie
gerne die Fassade auf eigene Kosten gestalten. Zwischen 15 und 20
Millionen Euro schätzen Fachleute den städtischen Zuschussbedarf.
Ein Totschlagargument, aber nicht das einzige. Was passiert
mit einer nur noch ausnahmsweise genutzten Schleyerhalle, die schon
mit guter Auslastung ein Defizit produziert, das die Stadt ausgleichen
muss? Priorität genießt die alte Halle bei Harkimo jedenfalls
nicht. Beim Reitturnier in der Großhalle könnte man sie
"als Pferdestall nutzen". Wofür auch sonst? Welcher
Veranstalter würde schon freiwillig die Schleyerhalle mieten,
wenn er die moderne Halle nebenan zu besseren Konditionen bekommen
könnte? Ungeachtet dessen ist OB Schuster einmal mehr
der Einzige, der im Rathaus Optimismus verbreitet und appelliert,
die Umwegerentabilität dieses Objekts nicht zu unterschätzen.
Der von Harkimo für den Spatenstich genannte Termin Mai 2003
ist nicht zu halten; die Baugenehmigung könne laut Bürgermeister
Matthias Hahn nicht vor Juli erteilt werden. Und die Fraktionen
stehen dem Projekt skeptisch gegenüber. Man wolle den April
abwarten, um zu sehen, ob der Olympiazug ohne Stuttgart abfahre.
Im Misserfolgsfall könnte man noch einige Jahre die Schleyerhalle
betreiben, sie dann abreißen und an ihrer Stelle ein Original
errichten. CDU-Fraktionschef Michael Föll hält das Thema
Boschhalle vorerst für erledigt, da die einst bereitgestellten
12,8 Millionen Euro nicht mehr zur Verfügung seien. Man habe
sich in der Ausschreibung lediglich bereit erklärt, ein baureifes
Grundstück anzubieten; weitere Zuschüsse gebe es nicht.
Der SPD-Fraktionsvorsitzende Manfred Kanzleiter will "kein
Geld in die Hand nehmen", wenn es zu Lasten anderer Investitionen
ginge. Mit einer Harkimo-Arena sei man auch nur ein Wettbewerber
von vielen, sagt Werner Wölfle. Im Übrigen enthalte doch
das Fildermessenprojekt eine Hochhalle für 15 000 Besucher.
Der Grünen-Chef fordert den OB auf, "sich endlich auf
seine Kernaufgaben zu beschränken". |